Verhinderungspflege/Ersatzpflege

Werden Pflegebedürftige im häuslichen Bereich durch ehrenamtliche (nicht erwerbstätige) Pflegepersonen gepflegt, kommen immer wieder Situationen vor, in denen die Pflegekraft ausfällt. Da die Pflegepersonen nicht rund um die Uhr präsent sein können, sehen die Leistungsvorschriften der Sozialen Pflegeversicherung die Gewährung von „Verhinderungspflege“ vor. Man spricht im Zusammenhang mit dieser Leistung auch von einer „Ersatzpflege“, mit welcher der Gesetzgeber ermöglicht, den zeitweisen Ausfall einer Pflegekraft zu überbrücken.

Die gesetzliche Grundlage für die Leistung „Verhinderungspflege“ ist § 39 SGB XI.

Voraussetzungen für den Anspruch auf Verhinderungspflege

Damit ein Anspruch auf die Verhinderungspflege besteht, muss der Pflegebedürftige mindestens dem Pflegegrad 2 zugeordnet sein. Versicherte im Pflegegrad 1 haben keinen Anspruch auf Verhinderungspflege.

Der Anspruch besteht, wenn eine Pflegeperson wegen Krankheit, Erholungsurlaub oder auch aus sonstigen Gründen gehindert ist, die Pflege durchzuführen. Als Pflegepersonen kommen in diesem Zusammenhang nur ehrenamtliche, also nicht erwerbstätige Pflegepersonen in Betracht. Fällt eine Pflegekraft eines zugelassenen ambulanten Pflegedienstes oder eine Pflegekraft, die mit der Pflegekasse einen Einzelvertrag hat, aus, besteht kein Anspruch auf Verhinderungspflege.

Weitere Voraussetzung für den Anspruch auf Verhinderungspflege ist die Erfüllung einer sogenannten Vorpflegezeit. Diese besagt, dass die Pflegeperson vor der erstmaligen Verhinderung den Pflegebedürftigen mindestens sechs Monate gepflegt haben muss.

Anspruchshöhe/Anspruchsdauer

Der Anspruch auf Verhinderungspflege besteht je Kalenderjahr in Höhe von 1.612,00 Euro für die Dauer von bis zu sechs Wochen (42 Kalendertage). Darüber hinaus haben Versicherte die Möglichkeit, den Anspruch auf Kurzzeitpflege bis zu einem Leistungsbetrag von 806,00 Euro auf die Verhinderungspflege zur übertragen. Machen Versicherte von dieser Möglichkeit Gebrauch, steht damit für die Verhinderungspflege ein Leistungsbetrag von bis zu 2.418,00 Euro für die Dauer von maximal sechs Wochen je Kalenderjahr zur Verfügung.

Beim maximalen Leistungsanspruch auf die Verhinderungspflege gibt es mit dem betragsmäßigen und zeitmäßigen Höchstanspruch eine zweifache Begrenzung. Je nachdem, welche Grenze zuerst erreicht ist (Ausschöpfung des maximalen Leistungsbetrags/Ausschöpfung der maximalen Leistungsdauer), ist der Anspruch auf die Verhinderungspflege erschöpft.

Besonderheiten

Wird die Verhinderungspflege nur stundenweise in Anspruch genommen, werden diese Tage nicht auf die maximale Bezugsdauer von sechs Wochen angerechnet. Um eine stundenweise Verhinderungspflege handelt es sich dann, wenn der tatsächliche Verhinderungszeitraum der Pflegeperson unter acht Stunden am Tag liegt.

Ein aus der Kurzzeitpflege auf die Verhinderungspflege übertragener Leistungsbetrag kann nicht für die Verhinderungspflege durch Pflegepersonen, welche mit dem Pflegebedürftigen bis zum zweiten Grad verwandt oder verschwägert sind oder mit ihm in häuslicher Gemeinschaft leben, eingesetzt werden. Allerdings können die notwendigen Aufwendungen dieses Personenkreises im Rahmen des übertragenen Leistungsanspruchs übernommen werden. Bei den notwendigen Aufwendungen handelt es sich um entstandene Fahrkosten oder einen entstandenen Verdienstausfall.

Erstattungshöhe

Wird die Verhinderungspflege durch eine erwerbsmäßige Pflegeperson, durch Nachbarn, Freunde, Bekannte oder durch entfernte Verwandte/Verschwägerte (ab dem dritten Grad verwandt oder verschwägert) erbracht, werden die Kosten der Verhinderungspflege in der nachgewiesenen Höhe erstattet. Ein täglicher Höchstanspruch ist bei diesen Personenkreisen nicht gegeben. Jedoch müssen die entstandenen Aufwendungen für die Verhinderungspflege der Pflegekasse nachgewiesen werden. Dadurch, dass der Gesetzgeber sowohl eine betragsmäßige als auch zeitmäßige Begrenzung bei der Verhinderungspflege vorgegeben hat, sind die Versicherten gehalten, die Ersatzpflege wirtschaftlich vernünftig zu beschaffen bzw. überhöhte Forderungen der Ersatzpflegekräfte abzuwehren.

Besonderheiten bei Verwandten/Verschwägerten bis zum 2. Grad

Wird die Verhinderungspflege durch eine Ersatzpflegekraft durchgeführt, die mit dem Pflegebedürftigen bis zum zweiten Grad verwandt oder verschwägert ist oder die mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebt, ist der tägliche Erstattungsanspruch auf Verhinderungspflege begrenzt. In diesem Fall dürfen die Aufwendungen der Pflegekasse regelmäßig den Betrag des Pflegegeldes nicht überschreiten. Dies bedeutet, dass die Erstattungshöhe (da der Anspruch auf Verhinderungspflege kalenderjährlich für sechs Wochen besteht) auf das 1,5fache des monatlichen Pflegegeldes begrenzt ist. Die Höhe des monatlichen Pflegegeldes ist vom Pflegegrad, der für den Pflegebedürftigen bestätigt wurde, abhängig.

Ab Januar 2017 ergibt sich damit – für eine sechswöchige Verhinderungspflege – folgende Begrenzung bei der Erstattung der Verhinderungspflege, wenn diese von Verwandten und Verschwägerten bis zum zweiten Grad oder von im gemeinsamen Haushalt mit dem Pflegebedürftigen wohnenden Pflegekräften durchgeführt wird:

  • Pflegegrad 2: 474,00 Euro
  • Pflegegrad 3: 817,50 Euro
  • Pflegegrad 4: 1.092,00 Euro
  • Pflegegrad 5: 1.351,50 Euro

Die Berechnung der genannten Beträge ergibt sich, indem das monatliche Pflegegeld mit dem Faktor 1,5 multipliziert wird. Der Erstattungshöchstbetrag darf nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 12.07.2012, Az. B 3 P 6/11 R nicht auf den Kalendertag umgerechnet werden. Das heißt, dass der Erstattungshöchstbetrag auch für einen Zeitraum ausgeschöpft werden kann, welcher keine 42 Kalendertage umfasst.

Neben den genannten Beträgen für die Verhinderungspflege selbst können noch entstandene Aufwendungen (für Fahrkosten oder Verdienstausfall) erstattet werden. Insgesamt darf jedoch der Leistungshöchstanspruch auf Verhinderungspflege nicht überschritten werden.

Der Verwandtschafts- bzw. Verschwägerungsgrad bestimmt sich nach den §§ 1589 und 1590 BGB. Bei Verwandten bis zum zweiten Grad handelt es sich beispielsweise um die Eltern, Großeltern, Kinder und Enkelkinder. Um Verschwägerte bis zum zweiten Grad handelt es sich beispielsweise um die Stiefelter, Stiefkinder, die Schwägerin und den Schwager.

Sollte die Verhinderungspflege mit der bis zum zweiten Grad verwandten oder verschwägerten oder im Haushalt lebenden Ersatzkraft erwerbsmäßig durchgeführt werden, gilt die Begrenzung auf das 1,5fache des Pflegegeldes nicht. Erwerbsmäßigkeit kann beispielsweise unterstellt werden, wenn die Verhinderungspflege länger als sechs Wochen durchgeführt wird.

Weiterzahlung des Pflegegeldes

Während einer Verhinderungspflege wird ein Pflegegeld, sofern auf dieses zu Beginn der Verhinderungspflege ein Anspruch besteht, weitergezahlt. Die Weiterzahlung des Pflegegeldes erfolgt bei einer stundenweisen Verhinderungspflege in voller Höhe. Bei einer tageweisen Verhinderungspflege wird das Pflegegeld für den ersten und letzten Tag in voller Höhe, für die dazwischen liegenden Tage in Höhe von 50 Prozent, also in halber Höhe, weitergewährt.

Sonstiges

Es ist nicht erforderlich, dass die Verhinderungspflege im häuslichen Bereich des Pflegebedürftigen erbracht wird. Eine Leistung kann auch dann erfolgen, wenn die Verhinderungspflege in einem Internat, in einer Schule oder Kindergarten oder in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung erbracht wird. Diesbezüglich gilt der erweiterte Häuslichkeitsbegriff.

Ist in einem Kalenderjahr der Anspruch auf die Verhinderungspflege vollständig ausgeschöpft, kommt für die weitere Dauer – sofern weiterhin eine Ersatzpflege benötigt wird – die Zahlung von Pflegegeld in Betracht. Dies deshalb, weil durch den Pflegebedürftigen die Pflege selbst sichergestellt wird.

Befindet sich ein Pflegebedürftiger grundsätzlich in einer § 43a SGB XI-Einrichtung (Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen), und kommt zweitweise in den häuslichen Bereich, z. B. an den Wochenende oder in den Ferienzeiten, kann für diese Zeiten ebenfalls Verhinderungspflege geleistet werden, sofern die Pflege vorübergehend nicht sichergestellt ist. Allerdings ist der Anspruch auf die Verhinderungspflege ausgeschlossen, wenn während der Verhinderungszeit der Pflegeperson(en) die Unterbringung in der Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen möglich ist.

Anspruch auf Verhinderungspflege auch im Ausland

Der Anspruch auf Verhinderungspflege besteht auch bei einem Auslandsaufenthalt des Pflegebedürftigen. Grundsätzlich ruhen zwar die Leistungen der Pflegeversicherung, wenn sich der Pflegebedürftige im Ausland aufhält. Doch hiervon gibt es Ausnahmen, beispielsweise beim Pflegegeld – und auch bei der Verhinderungspflege. Dies bestätigte das Bundessozialgericht mit Urteil vom 20.04.2016 unter dem Aktenzeichen B 3 P 4/14 R.

Das Bundessozialgericht musste über den Fall eines 14jährigen pflegebedürftigen Kindes entscheiden, das mit seiner gesamten Familie in die Schweiz zu einem Kurz-Urlaub gefahren ist. Während die Mutter, die eigentliche Pflegeperson des pflegebedürftigen Kindes, Ski gefahren ist, hat der mitgereiste Großvater stundenweise die Ersatzpflege übernommen. Die hierfür entstandenen Fahr- und Unterkunftskosten in Höhe von 279 Euro wurden bei der Pflegekassen im Rahmen der Verhinderungspflege geltend gemacht. Nachdem die zuständige Pflegekasse die Kostenübernahme ablehnte, bestätigte das Bundessozialgericht den Anspruch auf die Kostenerstattung.

Auf die Verhinderungspflege besteht damit auch im Ausland – weltweit – ein Anspruch. Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, ob die Ersatzpflegeperson mit aus Deutschland anreist oder ob sie sich bereits im Ausland befindet. Ebenfalls ist für den Anspruch auf Verhinderungspflege ohne Bedeutung, ob die Ersatzpflegeperson mit dem Pflegebedürftigen bis zum zweiten Grad verwandt oder verschwägert ist oder ob sie mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebt.

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