Kein Anspruch auf EM-Rente bei Fahrkostenübernahme durch Rentenkasse

Mit Urteil vom 19.03.2010 entschied das Hessische Landessozialgericht unter dem Aktenzeichen L 5 R 28/09, dass ein Versicherter keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung hat, sofern die Wegefähigkeit zwar eingeschränkt ist, der Rentenversicherungsträger jedoch Fahrkosten vorbehaltlos übernimmt.

Hintergrund

Das Bundessozialgericht (BSG) hat am 21.03.2006 per Urteil (Az. B 5 RJ 54/04 R) entschieden, dass ein Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente besteht, wenn ein Versicherter zwar weder erwerbs- noch berufsunfähig ist, jedoch die Wegefähigkeit eingeschränkt ist. Das höchste Sozialgericht Deutschlands entschied, dass die Wegefähigkeit rentenrechtlich eingeschränkt ist, wenn ein Versicherter eine Wegstrecke von 500 Metern nicht mehr vier Mal täglich innerhalb von je 20 Minuten gehen kann. In dem damals vom BSG zu entscheidenden Fall hatten die Richter nicht gelten lassen, dass der Rentenversicherungsträger die Übernahme von Fahrkosten zugesichert hatte. Nach Ansicht des BSG lag hier keine ausreichende Gewissheit vor, in welchem Umfang und in welcher Höhe die Fahrkosten seitens der Rentenkasse übernommen werden.

Nun musste das Landessozialgericht Hessen über einen ähnlichen Fall entscheiden, in dem ein Elektroinstallateur gegen die Ablehnung einer beantragten Erwerbsminderungsrente klagte. Der Kläger war im Betrieb seiner Ehefrau angestellt und erlitt im Jahr 2005 zunächst einen Arbeitsunfall, der in der Folgezeit Arbeitsunfähigkeit verursachte. Im Jahr 2006 beantragte der Versicherte eine Rente wegen Erwerbsminderung. Diesem Rentenantrag wurde durch den Rentenversicherungsträger nicht entsprochen, da nach gutachterlichen Feststellungen der Elektrotechniker noch leichte Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann. Explizit wurden Tätigkeiten als Büro- und Verwaltungskraft, Telefonist und Pförtner genannt.

Aufgrund der ablehnenden Entscheidung klagte der Elektroinstallateur, der zudem schwerbehindert ist. Seine Klage begründete er damit, dass bei ihm nunmehr eine eingeschränkte Wegefähigkeit gegeben ist. Ihm ist es nicht mehr möglich, eine Wegstrecke von 500 Metern vier Mal täglich zu gehen. Daher können in Betracht kommende Arbeitsplätze auch nur mit einem nicht zumutbaren Aufwand erreicht werden.

Rehabilitation vor Rente

Da die sozialgerichtlichen Ermittlungen ebenfalls ergaben, dass der Kläger keine 500 Meter vier Mal täglich mehr gehen kann und auch keine öffentlichen Verkehrsmittel mehr benutzen kann, sicherte der Rentenversicherungsträger die Kostenübernahme von Fahrkosten zu. Vorbehaltlos wurde dem Kläger zugesichert, dass die Kosten für ein Taxi oder für eine Fahrt mit einem Fahrzeug durch Dritte übernommen werden, um Vorstellungsgespräche wahrzunehmen und einen möglichen Arbeitsplatz zu erreichen. Darüber hinaus sicherte der Rentenversicherungsträger zu, an Stelle der Beförderungskosten Zuschüsse zur Beschaffung eines Kraftfahrzeugs und für eine behinderungsbedingte Zusatzausstattung zu übernehmen, sofern ein Arbeitsverhältnis über den Ablauf der Probezeit besteht.

Aufgrund der Zusicherung des Rentenversicherungsträgers, die Fahrkosten zu übernehmen bzw. sich an den Kosten für ein Kraftfahrzeug zu beteiligen, lehnte das Hessische Landessozialgericht die begehrte Erwerbsminderungsrente per Urteil ab. Das Urteil wurde am 19.03.2010 unter dem Aktenzeichen L 5 R 28/09 gesprochen. Der Rentenversicherungsträger hat nach Ansicht der Richter dem Kläger unter dem Grundsatz „Rehabilitation vor Rente“ ausreichend Mobilitätshilfe geboten, um einen Arbeitsplatz zu erreichen. Damit liegt keine eingeschränkte Wegefähigkeit im Sinne des gesetzlichen Rentenrechts mehr vor.

Sollte der Kläger keinen Arbeitsplatz finden, würde auch kein Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente mehr bestehen. In diesem Fall würde höchstens ein Anspruch auf Arbeitslosengeld oder auf Grundsicherung für Arbeitsuchende entstehen.

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