Gesetzlicher Unfallversicherungsschutz bei allen Pflegetätigkeiten

Wird ein Pflegebedürftiger durch eine nicht erwerbstätige Pflegeperson in der häuslichen Umgebung gepflegt, steht die Pflegeperson während der Pflegetätigkeit unter dem Schutz der Gesetzlichen Unfallversicherung. Ereignet sich während der Pflegetätigkeit ein Unfall, handelt es sich dabei grundsätzlich um einen Arbeitsunfall, für dessen Folgen die Gesetzliche Unfallversicherung Leitungen erbringt, dies kann beispielsweise die Gewährung einer Heilbehandlung sein. Aber auch die Gewährung von Verletztengeld oder einer Verletztenrente kann – sofern für diese Leistungen die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen – in Frage kommen.

Das Bundessozialgericht musste am 09.11.2010 über einen Fall entscheiden, ob sich der gesetzliche Unfallversicherungsschutz auch auf Pflegetätigkeiten erstreckt, welche bei der Einstufung in die Pflegestufe unberücksichtigt blieben.

Unfall einer Pflegeperson

Zu dem Klagefall kam es, weil eine Tochter als Pflegeperson ihrer Mutter einen Unfall erlitten hat, den der Bayerische Gemeindeunfallversicherungsverband als zuständiger Unfallversicherungsträger nicht als Arbeitsunfall anerkannt hatte. Die Tochter pflegt ihre Mutter, die von der Sozialen Pflegeversicherung in eine Pflegestufe eingestuft wurde. Am Unfalltag (am 25.01.2007) hatte die Tochter ihre Mutter zum Arzt begleitet. Auf dem Rückweg von der Arztpraxis stürzte die pflegebedürftige Mutter und hatte ihre Tochter mitgerissen. Bei dem Sturz erlitt sie eine Fraktur des linken Knies.

Als sie den Unfall beim Bayerischen Gemeindeunfallversicherungsverband, kurz: GUV, gemeldet hatte, verneinte dieser das Vorliegen eines Arbeitsunfalls. Als Begründung wurde angeführt, dass sich der Unfall nicht während einer Pflegetätigkeit ereignet habe, die gesetzlich unfallversichert sei. Die Begleitung zum Arzt konnte im Rahmen der Einstufung in eine Pflegestufe seitens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) nicht berücksichtigt werden, da diese nicht regelmäßig – mindestens einmal wöchentlich – erforderlich ist. Ebenfalls wurde ein Hilfebedarf beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung und beim Treppensteigen im Rahmen der Pflegeeinstufung nicht berücksichtigt. In der Folge bestand nach Ansicht des GUV auch während der Begleitung der pflegebedürftigen Mutter zum Arztbesuch kein gesetzlicher Unfallversicherungsschutz.

Sozialgerichte bestätigten Arbeitsunfall

Sowohl das Sozialgericht Regensburg als erste sozialgerichtliche Instanz als auch das Bayerische Landessozialgericht als zweite sozialgerichtliche Instanz verurteilten den Unfallversicherungsträger, den Unfall vom 25.01.2007 als Arbeitsunfall anzuerkennen. Beide Gerichte waren der Auffassung, dass die Tochter als Pflegeperson während der Begleitung ihrer Mutter zum Arzt gesetzlich unfallversichert war. Gegen die Entscheidung des Landessozialgerichts legte der Unfallversicherungsträger Revision zum Bundessozialgericht ein.

Das Bundessozialgericht, das höchste Sozialgericht Deutschlands, entschied mit Urteil vom 09.11.2010 unter dem Aktenzeichen B 2 U 6/10 R ebenfalls, dass die Tochter am 25.01.2007 einen Arbeitsunfall erlitten hat. Dabei führten die Richter aus, dass Pflegepersonen im Rahmen des § 2 Abs. 1 Nr. 17 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – SGB VII – während einer Pflegetätigkeit gesetzlich unfallversichert sind. Die Mutter ist im Bereich der Mobilität eingeschränkt; in diesem Bereich leistet die Tochter ihr Pflege. Nur mit Hilfe der Tochter konnte die Mutter die Treppen steigen und damit auch den Arzt aufsuchen. Damit hat die Begleitung durch die Tochter überwiegend der Pflege gedient. Unfallversicherungsrechtlich ist daher irrelevant, ob die Begleitung einer Pflegeperson durch den MDK im Rahmen der Einstufung in eine Pflegestufe berücksichtigt bzw. gewertet wurde.

Fazit

Im Rahmen der Einstufung in eine Pflegestufe können die Pflegetätigkeiten im Rahmen der Grundpflege berücksichtigt werden. Die Grundpflege beinhaltet die Körperpflege, die Ernährung und die Mobilität. Ebenfalls wird, wenn auch nur nachrangig, die hauswirtschaftliche Versorgung berücksichtigt. Diese Pflegetätigkeiten werden vom Unfallversicherungsschutz der Gesetzlichen Unfallversicherung erfasst. Entscheidend ist hier, dass die Pflegetätigkeiten der pflegebedürftigen Person zugute kommen. Ob diese im Rahmen der Einstufung in eine Pflegestufe nicht bewertet wurden, weil diese beispielsweise nicht regelmäßig anfallen, ist diesbezüglich ohne Bedeutung. Ein gesetzlicher Unfallversicherungsschutz kann damit laut Bundessozialgericht auch dann entstehen, wenn die Pflegetätigkeiten erforderlich sind, obwohl diese durch den MDK bei Beurteilung der Pflegestufe außer Acht gelassen wurden.

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