Gesetzlicher Unfallversicherungsschutz nur in bestimmten Fällen

Nach den gesetzlichen Vorschriften (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch, kurz: SGB VII) haben Beschäftigte einen gesetzlichen Unfallversicherungsschutz. Ereignet sich während der Tätigkeit ein Unfall, handelt es sich grundsätzlich um einen Arbeitsunfall, für dessen Folgen die Gesetzliche Unfallversicherung Leistungen gewährt. Gleiches gilt, wenn sich der Unfall auf dem Weg von zu Hause zur Arbeitsstätte oder auf dem Rückweg von der Arbeitsstätte nach Hause ereignet. Die Leistungen der Gesetzlichen Unfallversicherung reichen von der Gewährung einer erforderlichen Heilbehandlung, über die Zahlung einer gegebenenfalls erforderlichen Entgeltersatzleistung – Verletztengeld oder Übergangsgeld – bis hin zur Gewährung einer Verletztenrente oder Hinterbliebenenrente.

Neben den Beschäftigten werden unter anderem auch Personen vom gesetzlichen Unfallversicherungsschutz erfasst, die ähnlich wie Beschäftigte tätig werden (§ 2 Abs. 2 SGB VII). Bei diesen Personengruppen spricht man von „Wie-Beschäftigten“. In der Praxis gibt es häufiger Rechtsstreitigkeiten darüber, ob ein Unfall von der Gesetzlichen Unfallversicherung als Arbeitsunfall anerkannt werden kann, der sich im Rahmen einer Hilfe bzw. Tätigkeit bei Verwandten, Freunden oder Nachbarn ereignet.

Diesbezüglich hat die Sozialgerichtsbarkeit bereits einige Urteile gesprochen, mit denen die Voraussetzungen für das Vorliegen bzw. Nicht-Vorliegen eines Arbeitsunfalls beschrieben wurden.

Familiäre Gefälligkeiten

Das Hessische Landessozialgericht hatte über einen Fall entscheiden müssen, in dem ein Student einen Unfall im Elternhaus erlitten hatte. In dem Klagefall wollte der Student einen Unfall als gesetzlichen Arbeitsunfall anerkannt haben, den zuvor der Unfallversicherungsträger als solchen abgelehnt hatte. Der Kläger studierte seit Oktober 2003 in Frankfurt am Main, sein Elternhaus – zugleich zum Unfallzeitpunkt weiterhin sein Erstwohnsitz – befindet sich in Nordrhein-Westfalen. Bei Umbauarbeiten im Elternhaus zog sich der Student während der Semesterferien bei Umbauarbeiten mit dem Hammer eine Verletzung am Fingergelenk zu. Diesen Unfall hatte der Unfallversicherungsträger als gesetzlichen Arbeitsunfall verneint, da es sich um eine familiäre Gefälligkeit gehandelt hat. Die Richter des Landessozialgerichts in Darmstadt hatten entschieden, dass die Ablehnung zu Recht erfolgt ist.

In dem Urteil wird ausgeführt, dass die unentgeltlichen Tätigkeiten bei Verwandten grundsätzlich als arbeitnehmerähnliche Tätigkeit angesehen werden kann, welche gesetzlich unfallversichert sein kann. Sofern es sich allerdings um Tätigkeiten handelt, die bei besonders engen Beziehungen zwischen Verwandten, Freunden und Nachbarn erwartet werden können und in der Praxis üblich sind, ist der gesetzliche Unfallversicherungsschutz ausgeschlossen. Dies gilt auch für Hilfsdienste, die bei diesem Personenkreis geradezu selbstverständlich sind.

Der Student half bei den Umbauarbeiten im Elternhaus, um eine Kostenersparnis durch die Eigenleistung zu erzielen. Die Eltern hatten die Hilfeleistung des Sohnes erwarten können, zumal sie ihm das Studium finanziell unterstützten und auch in ihrem Haus kostenlose Unterkunft gewährten. Diesbezüglich kamen die Richter zu dem Ergebnis, dass während der Semesterferien eine Mitarbeit im Umfang von 30 Stunden zumutbar ist, welche auch keinen gesetzlichen Unfallversicherungsschutz nach sich zieht.

Nachbarschaftshilfe

Dachrenovierung

Das Bayerische Landessozialgericht musste über einen Fall entscheiden, in dem der Ehemann der Klägerin tödlich verunglückt ist. Dieser hatte den Giebel der Doppelhaushälfte seines Nachbarn streichen wollen. Hierfür stieg er auf ein zur Dachrenovierung aufgestelltes „Blitzgerüst“. Das Gerüst war für die Arbeiten jedoch nicht geeignet, weshalb der Ehemann der Klägerin – ein Ruheständler – stürzte und sich dabei tödliche Verletzungen zuzog. Die Witwe des Verunglückten beantragte schließlich eine Hinterbliebenenrente – eine Witwenrente – die die zuständige Berufsgenossenschaft mit dem Hinweis ablehnte, dass sich kein gesetzlicher Arbeitsunfall ereignet hatte. Bei den Arbeiten handelte es sich nach Ansicht des Unfallversicherungsträgers um eine alltägliche Gefälligkeit. Darüber hinaus diente das Streichen des Giebels auch seinem eigenen Interesse, damit die Doppelhäuser ein einheitliches Erscheinungsbild haben.

In diesem Fall schlossen sich die Richter des Landessozialgerichts der Auffassung der Berufsgenossenschaft nicht an. Mit Urteil vom 29.03.2011 entschied das Bayerische Landessozialgericht (Az. L 3 U 255/10), dass der Verunglückte beschäftigungsähnlich tätig wurde. Denn er hatte die Streicharbeiten mit seinem Fachkönnen und dem Willen des Nachbarn erbracht. Bei den Malerarbeiten handelte es sich um umfangreichere Arbeiten, die einen wirtschaftlichen Wert hatten. Die Arbeiten gingen über die alltäglichen Gefälligkeiten hinaus, weshalb die Gesetzliche Unfallversicherung für die Folgen des Unfalls aufkommen und entsprechende Leistungen – in diesem Fall die Witwenrente – leisten muss.

Die Biss-Attacke eines Hundes

Einen weiteren Unfall der Nachbarschaftshilfe erkannte das Landessozialgericht Baden-Württemberg nicht als Arbeitsunfall an. Hier musste das Gericht über einen Fall entscheiden, in dem der Kläger den Hund seines Nachbarn während dessen Krankenhausaufenthalt betreute. Er versorgte über einen Zeitraum von sechs Tagen den Nachbarhund und ging mit diesen auch Gassi. Am sechsten Tag griff der Hund den Kläger unvermittelt an und fügte diesen starke Verletzungen in Form von tiefen Fleischwunden an Armen und Händen zu. Aufgrund der Biss-Attacke musste der Kläger notoperiert werden. Auch eine Hauttransplantation wurde notwendig.

Die Richter des Landessozialgerichts Baden-Württemberg entscheiden mit Urteil vom 31.08.2012 (Az. L 8 U 4142/10), dass die Hilfe – also die Betreuung des Hundes – wegen enger Verbundenheit mit seinem Nachbarn zu erwarten war. Da er den Hund, einen Rottweiler, in der Vergangenheit des Öfteren betreut hat und zugleich nicht wie ein Wie-Beschäftigter tätig wurde, wurde die Anerkennung eines Arbeitsunfall in diesem Fall ebenfalls verneint.

Mithilfe bei Bekannten

Das Hessische Landessozialgericht musste am 28.06.2011 (Az. L 3 U 134/09) über einen Fall entschieden, in dem eine Frau bei einem Sonntagsausflug beim Viehtrieb aushalf. Die Frau hatte für eine Dauer von etwa fünf Minuten langjährig Bekannten geholfen, insgesamt fünf Kühe mit Kälbern über die Straße zu treiben. Dabei wurde sie auf der Straße von einem Motorradfahrer erfasst und zog sich mehrere Knochenbrüche zu.

Hier lehnte der zuständige Unfallversicherungsträger die Anerkennung eines Arbeitsunfalls mit der Begründung ab, dass die Verletzte dem landwirtschaftlichen Unternehmen keine Tätigkeit erbracht hatte, die diesem wesentlich diente. Das anschließende Klageverfahren blieb erfolglos, da sich die Richter mit Urteil vom 28.06.2011 (Az. L 3 U 134/09) der Entscheidung des Unfallversicherungsträgers anschlossen.

Das Hessische LSG führte aus, dass zwar Personen, die unentgeltliche Tätigkeiten arbeitnehmerähnlich ausüben, ebenfalls vom gesetzlichen Unfallversicherungsschutz (nach § 2 Abs. 2 SGB VII) erfasst werden. In diesem Fall spricht man von Wie-Beschäftigten. Alltägliche, übliche und geringfügige Gefälligkeiten werden hiervon jedoch nicht erfasst. Das Viehtreiben war für die Klägerin ein geradezu selbstverständlicher Hilfsdienst, der nicht vom Unfallversicherungsschutz der Gesetzlichen Unfallversicherung erfasst ist. Dies ist vergleichbar mit einer Einweisung des Nachbarn in die Garage oder mit einem Botengang über die Straße, bei dem an den Nachbarn eine Nachricht übermittelt wird. All diese Tätigkeiten sind nicht mit einer im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses geschuldeten Tätigkeit vergleichbar und damit auch nicht gesetzlich unfallversichert. Daher ist der Unfall, der sich beim Viehtrieb ereignete, auch nicht als Arbeitsunfall zu werten.

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