Kein Wegeunfall bei langen Pausen
Beschäftigte sind auf dem Weg vom häuslichen Bereich zur Arbeitsstätte und von der Arbeitsstätte wieder zurück in den häuslichen Bereich gesetzlich unfallversichert. Ereignet sich auf diesen Wegen ein Unfall, handelt es sich um einen Wegeunfall. Für die Folgen des Wegeunfalls kommt der gesetzliche Unfallversicherungsträger auf. Beispielsweise übernimmt die Gesetzliche Unfallversicherung aufgrund eines Wegeunfalls eine notwendige Heilbehandlung, leistet bei einer längeren Arbeitsunfähigkeit nach Ablauf der Entgeltfortzahlung Verletztengeld. Auch die Leistung von Renten, z. B. einer Verletztenrente oder – sofern der Versicherte aufgrund des Wegeunfalls verstorben ist – Hinterbliebenenrente (Witwen-, Waisenrenten) ist möglich.
Wird der direkte Weg zur Arbeitsstätte aufgrund privater Angelegenheiten für eine längere Zeit unterbrochen, entfällt der gesetzliche Unfallversicherungsschutz. Dies entschied das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 03. Dezember 2009 (Aktenzeichen: L 31 U 392/08).
Unfall einer Tänzerin
Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg musste über einen Fall entscheiden, in dem eine Tänzerin der Deutschen Staatsoper Berlin einen Unfall erlitten hat. Den Unfall hatte im Vorfeld die zuständige Berufsgenossenschaft nicht als Wegeunfall im Sinne der Gesetzlichen Unfallversicherung anerkannt, da die Tänzerin auf ihrem Arbeitsweg eine unverhältnismäßig lange Pause eingelegt hatte.
An dem Unfalltag veranstaltete die Deutsche Staatsoper Berlin ein großes öffentliches Fest mit einem Feuerwerk. Die Staatsoper als Arbeitgeberin verpflichtete die Angestellten nicht, an dem Fest teilzunehmen. Eine Teilnahme war jedoch erwünscht. Die Angestellten, die an dem Fest teilnahmen, mussten sich nicht durch äußere Kennzeichen als Mitarbeiter der Staatsoper identifizieren. Nach dem Fest und dem Feuerwerk wurde in der Kantine des Intendanzgebäudes eine hausinterne Versammlung terminiert. Im Rahmen dieser hausinternen Veranstaltung wollte der neue Intendant die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter begrüßen.
Die Tänzerin hatte an dem Unfalltag bis 17:00 Uhr Proben. Da sie nicht an dem öffentlichen Fest, jedoch an der hausinternen Veranstaltung im Intendanzgebäude teilnehmen wollte, ging sie zwischenzeitlich nach Hause. Um 21:30 Uhr machte sie sich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln wieder auf den Weg zur Deutschen Staatsoper. Auf dem Weg zwischen der Bushaltestelle und dem Intendanzgebäude fand gerade das Feuerwerk statt. Da sie zudem einige Kolleginnen und Kollegen traf, hatte sie zusammen mit diesen das Feuerwerk angesehen. Dabei ereignete sich der Unfall. Der Rest eines Feuerwerkskörpers hatte sie am Kopf getroffen und verursachte eine Schädelprellung, die in der Nachwirkung Übelkeit, Kopfschmerzen und Brechreiz auslöste.
Landessozialgericht verneint Wegeunfall
Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg schloss sich mit Urteil vom 03.12.2009 (Az. L 31 U 392/08) der Auffassung der Berufsgenossenschaft an, dass es sich bei dem Unfall nicht um einen Wegeunfall im Sinne der Gesetzlichen Unfallversicherung handelt.
Die Unterbrechung des Arbeitsweges von der Bushaltestelle in das Intendanzgebäude dauerte etwa eine Stunde. Diese Unterbrechung, während der die Klägerin das Feuerwerk angesehen und mit Kollegen geplaudert hatte, ist dem privaten Bereich zuzuordnen. Demzufolge hat die lange Unterbrechung des Arbeitsweges auch den Gesetzlichen Unfallversicherungsschutz ausgeschlossen. Die Richter wiesen darauf hin, dass nur durch kurze Unterbrechungen der gesetzliche Unfallversicherungsschutz nicht ausgeschlossen wird. Als kurze Unterbrechungen in diesem Sinne wurden als Beispiele genannt, wenn beim Hineinheben eines Kinderwagens in den Bus geholfen wird oder Zigaretten aus einem Automaten geholt werden. Nach Ansicht des Landessozialgerichts hat die Tatsache, dass die Klägerin aufgrund der vielen Menschen nur langsam von der Bushaltestelle in das Intendanzgebäude vorankam, keinen Einfluss auf die Entscheidung, dass es sich bei dem Unfall um keinen gesetzlichen Wegeunfall handelt.